Was ist der Work Ability Index (WAI)?
Der Work Ability Index (WAI), ist ein wissenschaftlich fundiertes Instrument zur Erfassung der subjektiven Arbeitsfähigkeit von Beschäftigten. Auf Deutsch wird er auch Arbeitsbewältigungsindex (ABI) genannt. Er misst, wie gut Menschen in der Lage sind, ihre Arbeit unter den gegebenen Bedingungen zu bewältigen – heute und mit Blick auf die Zukunft. Dabei geht es nicht um die tatsächliche Leistungsfähigkeit oder medizinische Diagnosen, sondern um die Eigenwahrnehmung in Bezug auf zentrale Aspekte von Arbeit. Hierzu zählen Gesundheit, Kompetenzen, Anforderungen am Arbeitsplatz sowie psychisches Erleben.
Die Aussagekraft des WAI liegt in seiner Einfachheit: Er erlaubt es, systematisch Handlungsbedarfe zu erkennen, sowohl auf individueller als auch auf betrieblicher Ebene. Dabei gibt er keine konkreten Maßnahmen vor. Er ist damit ein sensibler Frühindikator für mögliche Veränderungen in der Arbeitsfähigkeit und dient als Ausgangspunkt für vertiefende Analysen oder gesundheitsförderliche Interventionen.
Herkunft und Entwicklung
Entwickelt wurde der WAI in den 1980er-Jahren am Finnish Institute of Occupational Health (FIOH) unter Leitung von Prof. Juhani Ilmarinen. Ausgangspunkt war die Frage eines Versicherungsträgers: Gibt es Tätigkeiten, für die sich bestimmte Altersgrenzen beim Renteneintritt empirisch ableiten lassen? Daraus entstand eine großangelegte Studie mit rund 6.000 Beschäftigten aus verschiedenen Berufen des öffentlichen Dienstes. Die Ergebnisse führten zur Entwicklung eines strukturierten Fragebogens, der seither in zahlreichen Ländern validiert und weiterentwickelt wurde – auch in Deutschland.
Unterschiedliche Erhebungsformen
Der WAI liegt heute in einer Kurz- und einer Langversion vor. Die Kurzversion umfasst eine reduzierte Krankheitsliste mit 14 Erkrankungen und benötigt etwa zehn Minuten zur Bearbeitung. Die Langversion fragt detaillierter nach – mit 52 Krankheitspositionen – und dauert etwa 15 Minuten. Der gewählte Umfang hängt meist von der betrieblichen Zielsetzung oder den verfügbaren Ressourcen ab. Das Ergebnis bleibt jedoch in beiden Varianten vergleichbar aussagekräftig.
Für besonders ressourcenschonende Kontexte – etwa in Vorstudien, Screeningverfahren oder im Rahmen kurzer Impulserhebungen – eignet sich auch der sogenannte Work Ability Score (WAS). Dieser besteht nur aus der ersten Dimension des WAI: „Wie beurteilen Sie Ihre derzeitige Arbeitsfähigkeit im Vergleich zur besten je erreichten?“. Die Antwort erfolgt auf einer Skala von null (gar nicht arbeitsfähig) bis zehn (beste je erlebte Arbeitsfähigkeit). Der WAS korreliert gut mit dem Gesamtergebnis des WAI und eignet sich vor allem für eine erste Einschätzung. Der WAS ersetzt den vollständigen WAI aber nicht.
Was passiert mit dem Ergebnis?
Das Ergebnis des WAI ist ein numerischer Indexwert, der zwischen 7 und 49 Punkten liegt. Je höher der Wert, desto besser die Arbeitsfähigkeit. In der Praxis werden die Ergebnisse häufig genutzt, um betriebliche Gesundheitsförderung gezielt auszurichten, BEM-Prozesse zu evaluieren oder die Gefährdungsbeurteilung psychische Belastung sinnvoll zu ergänzen. Auch im Rahmen von Forschung, Evaluation oder Benchmarking liefert der WAI wertvolle Daten, etwa bei der Einschätzung demografischer Entwicklungen oder der Wirkung gesundheitsbezogener Interventionen.
Allerdings zeigt der Index nur den Handlungsbedarf, nicht die Lösungsrichtung. Für eine sinnvolle Ableitung geeigneter Maßnahmen braucht es zusätzliche kontextbezogene Informationen – zum Beispiel durch vertiefende Gespräche, Workshops oder ergänzende Verfahren. Einen hilfreichen Orientierungsrahmen bietet dabei das Konzept des Hauses der Arbeitsfähigkeit, das zentrale Einflussfaktoren systematisch strukturiert.

Wer darf den WAI erheben?
Die Erhebung des WAI sollte durch Personen erfolgen, die über arbeitswissenschaftliche, medizinische oder psychologische Fachkenntnisse verfügen – etwa Betriebsärzt:innen, Fachkräfte im Betrieblichen Gesundheitsmanagement oder Arbeitspsycholog:innen. Denn eine sachgerechte Auswertung und Interpretation setzt Erfahrung im Umgang mit Fragebogendaten und ein gutes Verständnis für betriebliche Zusammenhänge voraus.
Fazit
Der Work Ability Index ist kein Allheilmittel, aber ein starkes Instrument, um frühzeitig Potenziale zu erkennen und Entwicklungen einzuordnen. Er liefert eine solide Ausgangsbasis, um Arbeitsfähigkeit gezielt zu fördern und damit einen Beitrag zu gesunder, produktiver Arbeit zu leisten.
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