Das Haus der Arbeitsfähigkeit ist seit über 40 Jahren ein bewährtes Modell, um über die Voraussetzungen gesunder Arbeit ins Gespräch zu kommen. In der betrieblichen Praxis dient es als strukturierendes Dialoginstrument, insbesondere im Betrieblichen Gesundheits- und Arbeitsfähigkeitsmanagement.
Was steckt hinter dem Modell?
Das Haus der Arbeitsfähigkeit beschreibt die zentralen Faktoren, die Einfluss auf die Fähigkeit eines Menschen haben, am Arbeitsleben teilzuhaben. Die Darstellung als Haus hilft dabei, diese Faktoren sichtbar und greifbar zu machen. Die einzelnen Ebenen stehen dabei symbolisch für verschiedene Handlungsfelder – angefangen bei der Gesundheit bis hin zu Führung, Arbeitsbedingungen und dem persönlichen Umfeld.
Ziel des Modells ist es, die verschiedenen Einflussbereiche bewusst wahrzunehmen und besser zu verstehen. Denn Arbeitsfähigkeit entsteht nicht zufällig – sie ist das Ergebnis eines Zusammenspiels vieler Aspekte, die sowohl auf individueller als auch auf organisationaler Ebene gestaltet werden können.
Wer hat das Haus der Arbeitsfähigkeit entwickelt?
Das Konzept geht zurück auf die Arbeit des Finnen Prof. Dr. Juhani Ilmarinen, der über viele Jahre am Finish Institute of Occupational Health forschte. In seiner Auseinandersetzung mit den Herausforderungen des demografischen Wandels entwickelte er mit seinem Team das sogenannte Arbeitsfähigkeitskonzept – das Haus der Arbeitsfähigkeit ist dessen zentrale Visualisierung. Heute wird es international genutzt, um komplexe Zusammenhänge rund um Arbeitsfähigkeit systematisch zu erfassen und handlungsorientiert zu bearbeiten.
Die Handlungsfelder des Hauses kurz erklärt
Das Fundament: Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)
Bevor sich die eigentlichen Stockwerke aufbauen, liegt dem Modell ein tragfähiges Fundament zugrunde: Strukturen, Prozesse und Maßnahmen aus dem Arbeitsschutz, dem Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) und der Betrieblichen Gesundheitsförderung bilden die Basis für eine systematische Auseinandersetzung mit Arbeitsfähigkeit.
1. Stockwerk Gesundheit und Leistungsfähigkeit
Hier steht die physische und psychische Gesundheit der Beschäftigten im Mittelpunkt. Aspekte wie körperliche Belastbarkeit, mentales Wohlbefinden, chronische Erkrankungen oder Erholungsfähigkeit beeinflussen maßgeblich, ob jemand arbeitsfähig bleibt oder nicht.
2. Stockwerk: Kompetenz
In einer sich stetig wandelnden Arbeitswelt gewinnt das Thema Qualifikation zunehmend an Bedeutung. Gemeint sind fachliche, methodische und soziale Kompetenzen, aber auch Erfahrung, Ausbildung und die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen.
3 . Stockwerk: Werte, Einstellungen und Motivation
Dieses Stockwerk fragt nach dem inneren Bezug zur Arbeit: Passen individuelle Werte mit dem betrieblichen Umfeld zusammen? Fühlen sich Beschäftigte anerkannt, sinnvoll eingebunden und motiviert? Faktoren wie Selbstwirksamkeit, Wertschätzung oder Arbeitsplatzsicherheit spielen hier eine zentrale Rolle.
4 . Stockwerk: Arbeitsbedingungen und Führung
Ob Menschen langfristig arbeitsfähig bleiben, hängt auch davon ab, wie gearbeitet wird: Arbeitsinhalte, Organisation, ergonomische Bedingungen, Teamkultur und Führungsverhalten prägen den betrieblichen Alltag. Gute Rahmenbedingungen stärken die Arbeitsfähigkeit – ungünstige können sie gefährden.
Das persönliche Umfeld
Zwar nicht Teil des Hauses im engeren Sinn, aber eng mit ihm verbunden, ist das persönliche Umfeld. Familie, Freundeskreis, Betreuungssituationen oder gesellschaftliche Rahmenbedingungen wirken oft direkt auf die Arbeitsfähigkeit ein. Das Modell berücksichtigt diese äußeren Einflüsse ausdrücklich – auch wenn sie nicht unmittelbar im Betrieb gestaltet werden können.

Wo wird das Modell eingesetzt – und für wen ist es ungeeignet?
Das Haus der Arbeitsfähigkeit kommt vor allem dort zum Einsatz, wo Veränderungsprozesse angestoßen werden sollen: in Gesundheitszirkeln, im BEM, in Führungskräfteentwicklungen oder in der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung. Es hilft, Gespräche zu strukturieren, Potenziale sichtbar zu machen und individuelle oder betriebliche Entwicklungsmöglichkeiten zu identifizieren.
Auch in der Beratung von Einzelpersonen eignet sich das Modell gut, weil es einen ganzheitlichen Blick ermöglicht. Es zeigt, an welchen Stellschrauben angesetzt werden kann – unabhängig davon, ob die gesundheitliche Situation, das Arbeitsumfeld oder persönliche Faktoren im Vordergrund stehen.
Gibt es auch Grenzen?
Wie jedes Modell vereinfacht auch das Haus der Arbeitsfähigkeit die Realität. Es stellt komplexe Zusammenhänge in einer festen Struktur dar und berücksichtigt individuelle Lebensumstände nur begrenzt. Auch die Dynamik, mit der sich Arbeitsfähigkeit im Laufe des Lebens verändern kann, wird in der Darstellung nicht explizit abgebildet.
Und doch: Als Gesprächsgrundlage, zur Orientierung oder als strukturierender Rahmen in der betrieblichen Praxis hat sich das Modell vielfach bewährt – für Beschäftigte, Führungskräfte und Gesundheitsverantwortliche gleichermaßen.
Fazit
Arbeitsfähigkeit entsteht im Zusammenspiel vieler Faktoren – zwischen individueller Gesundheit, Kompetenzen, Motivation, Arbeitsbedingungen und persönlichem Umfeld. Das Haus der Arbeitsfähigkeit hilft dabei, diese Zusammenhänge sichtbar zu machen und bietet eine strukturierte Grundlage für Gespräche, Analysen und betriebliche Entwicklung. Ob im BEM, in der Prävention oder im Führungsdialog: Als Denkmodell schafft es Klarheit und Orientierung – und unterstützt dabei, Verantwortung für nachhaltige Arbeitsfähigkeit gemeinsam zu übernehmen.
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